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Stammbuch des Erasmus Furtenbach aus Lindau. Genua und Mailand 1577-1579. Stammbuch des Erasmus Furtenbach aus Lindau. Genua und Mailand 1577-1579. Stammbuch des Erasmus Furtenbach aus Lindau. Genua und Mailand 1577-1579.
Los 720
Kategorie Manuskripte Autographen
Stammbuch des Erasmus Furtenbach aus Lindau; Genua und Mailand 1577-1579.
191 x 137 mm. 108 Bll., dav. 81 leer. Mit 26 Einträgen von Freunden und Verwandten aus verschiedenen Kaufmanns- und Handelsfamilien sowie dem Patriziat Oberschwabens und Nürnbergs, am Schluss der Eintrag des Stammbuchhalters. Dabei in teils goldgehöhter Deckfarbenmalerei 26 Wappen und 21 Miniaturen mit Darstellung von Trachten, Emblematischem, Mythologischem, Biblischem und Illustrativem.
Italienischer Renaissance-Einband aus dunkelbraunem Maroquin auf drei Bünden, die Deckel mit zweifachem Rahmen aus Goldfileten und Blindlinien, verg. Eckfleurons, in der Mitte ein verg. Zierstück mit Blumenvase und Vogel; der Rücken mit verg. Blütenstempeln, Gold- u. Blindlinien; gepunzter Goldschnitt.

(Bünde und Deckelkanten etwas berieben. Die Seiten mit Einträgen leicht gebräunt, sonst gering stockfleckig).

Klose CAAC, S. 92 (77.FUR.ERA). Gerhart Nebinger, Das Stammbuch des Erasmus Furtenbach aus Lindau. In: Blätter des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde 45 (1982), S. 255.
Erasmus Furtenbach aus Lindau (1554-1618) war der Sohn des Lindauer Bürgermeisters Martin F. und der Anna Buroner. Ein Mitglied der aus der Gegend von Kempten stammenden Familie Furtenbach ließ sich im 15. Jahrhundert in Feldkirch nieder und wurde der Begründer einer in Süddeutschland weitverbreiteten bedeutenden Handelsfamilie. Diese war seit dem 16. Jahrhundert im Patriziat der Reichsstädte Augsburg, Nürnberg, Kempten, Leutkirch, Lindau, Memmingen und Ravensburg sowie in der Kaufleutezunft in Ulm vertreten. - Erasmus Furtenbach gehörte der Leutkirch-Lindauer Linie an, die von seinem Großvater Hieronymus begründet in die patrizische Sünfzengesellschaft eintrat.
Erasmus Furtenbach beginnt sein Stammbuch mit seinem eigenen Eintrag am 1.XI.1577 in Genua. Er war wohl in diesem Jahr in die genuesische Handelsniederlassung der Furtenbachs gekommen, um sich dort ausbilden zu lassen. Im März 1579 trat er die Heimreise an, auf der er sich im April und Mai in Mailand aufhielt. Nach seiner Rückkehr in Lindau heiratete er dann im Juli des Jahres in Augsburg Susanne Stenglin, Tochter des Matthäus Stenglin aus der Augsburger Kaufleutezunft. In Lindau lebte er seit 1579 als Mitglied der Sünfzengesellschaft. 1595-1618 war er wie sein Vater und Onkel Bürgermeister und weiterhin im Fernhandel tätig.
Der zeitlich erste Eintrag ist vom Stammbuchhalter am 21.XI.1577 selbst geschrieben worden. Er befindet sich unter dem Wappen des Christoff Rem von Augsburg: ist in Gott verschieden zu Jenova 23, October A° [15]77 ... weil man an obstendtem Seinem Wappen gemalet hatt. Es folgen die mit großen Wappen versehenen Einträge in Genua 1577: 24.X.Augustinus Foremberger [Förenberger, Fürnberger), aus einer Kaufmannsfamilie, die in Lyon eine Handelsniederlassung besaß / 10.XI. Hans Jörg Ehinger von Baltzheim / 20.XI. Christoph Neuhauser, Bürger von Augsburg / 25.XI. Christoph Herwarth von Augsburg / 12.XII. Hans Ulrich Krafft aus Ulm / 17.XII. Philipp Kraffter, aus bedeutender Augsburger Kaufmannsfamilie / 28.XII. Daniel Pflaumer von Augsburg, aus Augsburger Kaufmannsfamilie.
1578: 10.I. David Waiblinger von Augsburg, Sohn des Hans Waiblinger, kaiserl. und königl. Einnehmer / 25.I. Thomas Stahell (Stachel) von Augsburg, Sohn des gleichnamigen Augsburger Kaufmanns / 8,II. Hans Jorg Österreicher von Augsburg, Sohn des bedeutenden Augsburger Kaufmanns Hans Österreicher / 13.II. Marx Buroner, Vetter von Erasmus Furtenbach, aus der Augsburger Kaufmannsfamilie / 22.VI. Laux Putz, aus der Augsburger Kaufmannsfamilie / 6.X. Erasmus Gutteter, aus ursprünglich kulmbachischem Patriziergeschlecht / 14.XI. Hans Harttproner (Harttbrunner) von Ulm / 20.XI. Ulrich Deller (Teller) von Lindau; wohl identisch mit Ulrich Teller (gleiches Wappen), der 1589 wegen seiner Verdienste beim Kampf gegen die Türken in den Reichsadelsstand erhoben wurde / (o. Dat.) Jeremias Wanner von Augsburg (auf Pilgerfahrt?); seine Familie stand in Fuggerschen Diensten / 21.XI. Hans Ludwig Gremp von Freudenstein, Sohn des Ludwig Gremp, Professor der Rechte in Tübingen u. Straßburg, befand sich auf Kavalierstour durch Italien / [21.XI.] Christoph Leutrum von Ertingen, Begleiter Gremps / 1.XII. Joachim Eckholt d.J. von Ravensburg; die Familie bekleidete höhere Ämter in Ravensburg, stellte Mediziner u. Juristen; später in Lindau
1579: 7.II. Sebastian Welser; Sohn des Hans Welser von Nürnberg, Leiter des bedeutenden Handelshauses, das u.a. Fernhandel über Venedig und Genua betrieb / 15.II. Paulus Hinderoffe (Hinderoffen), aus dem Ravensburger Kaufmannsgeschlecht / 20.II. Hieronymus von Croaria [aus Wangen], lebte 1593-1606 in Mailand.
Mailand 1579: 14.IV. Sigismund Kurtz von Lindau; seit 1582 Mitglied der Sünfzengesellschaft; ein Sebastian K. wird 1552 als fuggerscher Faktor in Genua genannt / 2.V. Jörg Schenck von Nürnberg.

Von besonderem Reiz an diesem Stammbuch sind die wohl zum größten Teil in Genua entstandenen Miniaturen. Darunter 6 weibliche Trachtendarstellungen von hoher Qualität, von denen drei vom Stammbuchhalter als Genuesische Witwentracht, Brauttracht und Frauentracht bezeichnet sind. Eine Miniatur stellt eine Sängerin mit einer Gitarrenbegleiterin dar; sie ist von Furtenbach bezeichnet als don(n)a Augustina de Mendossa. Eine andere zeigt eine Dame in prachtvoller weißer Robe; eine weitere offenbar eine Jungfrau in rotem Kleid. Letzteres ist vom Inskribenten Hieronymus von Croaria mit einem Gedicht auf die Jungfernschaft versehen worden sowie mit der Devise: Nackhett am Besten / Ain khue hatt auch kein hemmet an. Den Eintrag des Marx Buroner ziert auf der Gegenseite die Darstellung eines vornehm gekleideten Patriziers in karminroter Robe; dem Eintrag des David Waiblinger ist ein vornehmer Reiter in schwarzer Tracht beigegeben. An den militärischen Stand des Ulrich Deller spielt das Bild eines schwarzgekleideten Soldaten mit Degen und Hellebarde an. Der Eintrag des Jeremias Wanner ist mit der Darstellung eines Pilgers versehen; dem Eintrag Sebastian Welsers ist ein vornehmer Reiter mit Knecht beigefügt. An biblischen Darstellungen finden wir eine Szene mit Daniel in der Löwengrube sowie von Susanna im Bade mit den zwei Alten. Eine mythologische Szene zeigt den die wilden Tiere betörenden singenden Orpheus. Der Inskribent Augustinus Foremberger wurde, wie aus seinem Eintrag hervorgeht, auf der Fahrt von Nizza nach Monaco aus Seenot gerettet. Diese Begebenheit wird auch durch die Abbildung eines genuesischen Schiffes illustriert. Eine emblematische Darstellung symbolisiert die Gelegenheit (Ocasio calva:) eine andere zeigt die Fortuna mit Segel auf einem Delphin. Furtenbachs Eintrag am Schluss zeigt eine sehr detailliert gezeichnete große genuesische Galeere, was an die sehr genaue Konstruktionsbeschreibung einer Galeere erinnert, die von einem anderen Mitglied der Familie, nämlich Joseph Furtenbach, vorgenommen wurde.

Der interessanteste Eintrag dürfte der des Hans Ulrich Krafft von Ulm sein. Um die orientalischen Länder bereisen zu können war er 1573 in den Dienst des Augsburger Hauses Melchior Manlich und Mitverwandte im Comptoir Marseille eingetreten. Im Mai 1573 reiste er ab, um mit anderen Angestellten des Hauses den Faktoreigeschäften in Tripolis und Aleppo vorzustehen. Begleitet wurde er vom Arzt und Botaniker Leonard Rauwolf. Als Melchior Manlich Bankrott machte, kam Krafft auf Antrag des Hauptgläubigers mit zwei Mitangestellten 1574–1577 in türkische Schuldhaft. Nach drei Jahren Kerkerhaft kam er nach Marseille zurück und reiste im Dezember 1578 von Genua aus zurück nach Ulm. In Genua hat er sich am 12. Dezember in Furtenbachs Stammbuch eingetragen. Unter seinem Wappeneintrag hat er seinen Namen in arabischer Schrift notiert; auf der gegenüberliegenden Seite sieht man zwischen Devisen in Deutsch, Italienisch, Arabisch und Französisch oben eine Kogge und darunter die Darstellung seiner Gefangenschaft mit einem türkischen Wachmann mit Spieß, Schwert und Ketten und Krafft selbst als demütigen Gefangenen. Krafft verfasste ab 1582 einen Bericht über seine Orientreise, der 1861 in Stuttgart unter dem Titel "Reisen und Gefangenschaft Hans Ulrich Kraffts. Aus der Originalhandschrift hrsg. v. K. D. Hassler" erschien.
Schätzpreis € 10.000
Zuschlag € 14.000